X

Technischer Kunststoff vom Niederrhein in alle Welt

Von seinem Büro aus blickt Geschäftsführer Thomas Schlag direkt auf den Xantener Dom. Wer im Gewerbegebiet in die Hagdornstraße kommt, sieht zuerst die Märkte von Rewe und Lidl mit großen Parkplätzen. Dass hier ein weltweit tätiges Unternehmen beheimatet ist, sieht man so erst einmal nicht. Doch direkt daneben erstrecken sich die Büros und Produktionshallen von Röchling Industrial Xanten, vormals Schwartz-Plastik. Der Kunststoffspezialist wurde 2018 von der Mannheimer Röchling-Gruppe übernommen. Für die 135 Mitarbeiter, die am Standort Xanten arbeiten, war das eine gute Nachricht, weil die Unternehmensgruppe auch am Standort Xanten wachsen will.

Technische Kunststoffe sind ein Begriff, mit dem Laien wenig anfangen können. In der Praxis aber begegnet man den Xantener Produkten quasi überall. Bei Kunststoffseilrollen hat das Unternehmen einen Weltmarktanteil von 70 Prozent. Kunststoffseilrollen werden weltweit nicht nur in Fahrstühlen verbaut, sondern auch etwa in Mobilkränen. Das geringere Gewicht des Kunststoffes ermöglicht bei den ausfahrbaren Mobilkränen die Bewegung größerer Lasten, als es mit Stahlrollen der Fall wäre. Eine Stahlrolle wäre siebenmal schwerer als das selbe Teil aus Kunststoff. Stahl ist zwar härter als Kunststoff, aber nicht stabiler. Und da Kunststoff flexibler ist als Stahl und damit die Auflageflächen für die Seile größer werden, verteilt sich der Druck besser. In einem Autokran, wie er beim Bau von Windkraftanlagen eingesetzt wird, sind bis zu 100 Seilrollen verbaut. Die Ersparnis beim Gewicht ist also enorm.

Aber Seilrollen aus Kunststoff sind nur eine von vielen Spezialitäten aus dem Xantener Werk. Die Kunststoffteile werden speziell für die Anwendungen beim Kunden produziert. Stützrollen, Umlenkrollen für Fahrstühle, für Roboterarme, Kettenräder im Abwasserbecken – jede Menge Sonderteile für den Maschinenbau. Aber auch auf dem Bühnenboden von Theatern sind Teile aus der Xantener Produktion zu finden. Die Teile werden nicht im Spritzguss-, sondern im drucklosen Standgussverfahren hergestellt. Das Guss-Knowhow im Werk ist über nahezu 100 Jahre gewachsen und wird ständig weiterentwickelt. Welche Stoffe bei welchen Temperaturen zusammengemischt werden, ist auch in den Werkshallen nicht nachvollziehbar. Man sieht Behälter und Schläuche, mehr nicht. Die Maschinen sind Eigenkonstruktionen. Die Rezepturen für den Kunststoff sind Betriebsgeheimnis. Patente gibt es keine, weil so das Wissen veröffentlicht und damit preisgegeben werden müsste. Aus dem Material werden Teile mit einem Durchmesser von 50 Millimeter bis 3,5 Meter gegossen und weiterbearbeitet. Die Teile wiegen zwischen 5 Gramm und 3 Tonnen. Sie werden vom Einzelteil bis in Losgrößen von 5000 Stück ausgeliefert. Kunststoffrollen für Unterwasserkabel sind für das aggressive Salzwasser besser geeignet als Stahlrollen. Die Xantener sind mit diesem Angebot ziemlich allein auf dem Markt, wie die Geschäftsführer Thomas Schlag und Ralf van Holt nicht ohne berechtigten Stolz erzählen. Der 41-jährige Schlag ist für den technisch-operativen Bereich zuständig, van Holt für die Finanzen.

Die Geschichte des Werkes reicht ins Jahr 1924 zurück. Der Düsseldorfer Unternehmer Gustav Schwartz hat seinen ersten Betrieb in Xanten an der Sonsbecker Straße angesiedelt. Das war schon damals wesentlich günstiger als in Düsseldorf selbst. Begonnen hat Schwartz mit in Harz getränkten Baumwollgeweben. Dieser duroplastische Kunststoff ist hart, spröde und temperaturbeständig. Als Ersatz für Kupfer diente der Kunststoff als Trägermaterial etwa beim Walzen von Schienen. 1956 zog das Werk in die Hagdornstraße um. Heute macht Duroplastik nur noch fünf Prozent des Umsatzes aus, 95 Prozent fallen auf thermoplastische Polyamide. In den 1960er Jahren wurde Albrecht Peiffer kaufmännischer Leiter und übernahm schrittweise die Mehrheit des Unternehmens, als die Schwartz-Familie ohne Erben blieb. Sein Sohn Stephan übernahm 2002 die Geschäftsführung. Seit 2004 gibt es in Tschechien noch ein Zweitwerk mit rund 100 Mitarbeitenden. 2006 wurde die Produktion in Xanten durch einen Brandschaden stark betroffen, 2007 wurde der neue Gussbetrieb eröffnet. 2014 überstand das Unternehmen nach einer Firmenübernahme in England ein drohendes Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung. Der britische Betrieb wurde 2013 liquidiert, der deutsche und tschechische Standort waren stets profitabel. Heute steht Röchling Industrial Xanten als Teil der Röchling-Gruppe besser da denn je. Die 135 Beschäftigten erwirtschaften einen Umsatz von 40 Millionen Euro. Seit dem 8. Januar 2019 ist Schwartz-Plastic unter dem Dach von Röchling, einem Spezialisten für Kunststoffherstellung und -bearbeitung, in einem sicheren Netzwerk aufgehoben. Die Produktion am Standort Xanten mit 2000 Tonnen im Jahr und die weitgehende Eigenständigkeit des Unternehmens bleiben erhalten. Die Unternehmenskulturen passen zusammen: Auch Röchling ist seit fast 200 Jahren in Familienbesitz.

 

Röchling Industrial Xanten GmbH
Hagdornstraße 3
46509 Xanten

Telefon: +49(0) 2801.76-0
E-Mail: info-xan@roechling.com
www.roechling-xanten.com

Stand: Oktober 2019